Thesiel lief aus. Seine muskulöse Brust pumpte noch regelmässig und bald stand er breitbeinig auf der Plattform: atmend und ruhig.
Der Monach wartete noch einen Moment, bis er zu dem Todesengel trat und sich verneigte. "Thesiel, Kardinal Gideon Sidonia wünscht, dass du dich der Schar von Tauriel anschließt. Ich wurde geschickt, um dich zur Cella zu führen."
Thesiel blickte den Monach aus wachen Augen an. Der Monach trat von einem Bein aufs andere. Thesiels Miene blieb unbewegt.
Seine Blicke sorgten oft für diese Reaktion.
Thesiel nickte und drehte sich dem Monach zu. Er wartete, bis der Monach ihn führte.
Eiligen Schritte führte der Mensch den Engel hinab in den Bauch des trutzigen Kastells und klopfte schließlich an einer Tür.
Thesiel dachte während seines Wegs durch die Gänge und Fluchten des Kastells an all die Male, an denen er den Anführer einer Schar, der er zugeteilt wurde, traf.
Als der Monach an einer Tür klopfte, atmete Thesiel flach durch
Tauriel sah von seiner Klinge auf. Sein Blick fand zuerst kurz zu Navarael, musternd und prüfend, ehe er das dunkle Holz der Tür ansah.
"Herein?", war seine bereits tiefer werdende Stimme freundlich und offen zu vernehmen.
Der Raphaelit hielt inne, den Mull neu zu wickeln, und runzelte die Stirn.
Der Monach öffnete die Tür und verneigte sich. "Tauriel, dies ist Thesiel. Der Kardinal Gideon Sidonia wünscht, dass er euch auf eurer Mission unterstützt." Mit diesen Worten trat er beiseite und gewährte dem Todesengel Einlass.
Thesiel trat in die Cella und neigte den Kopf.
Einen kurzen Moment blinzelte der Michaelit verwirrt, ehe die blaugrünen Augen den Neuankömmling musterten und er eine Augenbraue hochzog, um sich dann zu fangen und den Gruß zu erwidern. Das zweite Nicken galt dem Monachen, dem er so den Dank und die Erlaubnis, zu gehen, signalisierte.
"So heiße ich dich in unserer Schar willkommen, Thesiel. Ich bin Tauriel und unser Raphaelit heißt Navarael." Damit wies er lächelnd auf den Heiler. Das Langschwert fand zurück in seine Lederscheide und der goldene Engel trat näher an den Streiter des Herren heran.
Unauffällig zog sich der Monach zurück und schloß die Tür.
Navarael legte das Verbandszeug wieder in die Tasche zurück und blieb erstmal sitzen. Sein Haar war nur provisorisch in einem ordenstypischen Dutt gebunden, der von zwei Ebenholznadeln gehalten wurde und neben seinem Schemel lagen auch zwei Kurzschwerter, die genauso wie die ganze Statur des Heilers darauf hinwiesen, dass er sich eben nicht nur mit dieser Rolle innerhalb der Schar zufrieden gab. Als Tauriel ihn vorstellte, neigte er leicht den Kopf zum Gruß und hob die Mundwinkel zu einem Lächeln, blieb aber stumm.
Thesiel kniete mit gesenktem Kopf vor dem Michaeliten nieder. Sein Atem ging unregelmässig und schwer.
Tauriel bekam große Augen und sah auf den Gabrieliten herunter, ehe er sich einen Moment auf die Unterlippe biss und etwas nervös goldblonde Locken aus dem ebenmäßigen Gesicht strich. "Thesiel... geht es dir nicht gut?", fragte er besorgt und ließ sich ebenfalls in die Hocke sinken, um dem schwarzen Engel wenigstens halbwegs ins Gesicht sehen zu können.
Navarael blinzelte und erhob sich dann doch, um hinter Tauriel zu treten und auf den Gabrieliten herab zu sehen. "Es ist in dieser Schar nicht Usus, sich vor dem Michaeliten zu verneigen, Thesiel.", erklärte er mit einer Stimme, die klang, als würde Honig über heiße Kohlen geschüttet. "Seine Autorität beruht auf Respekt, nicht auf Unterwerfung. Also steh auf."
Thesiel erhob sich langsam. Sein Muskelspiel war beeindruckend. Als er stand, blickte er zuerst Navarael, dann Tauriel mit ernstem Gesicht und aufrechtem Blick an. Dann nickte er beiden zu.
Sichtlich erleichtert folgte der blaugrüne Blick der Bewegung, musternd und einschätzend. Thesiel wäre wohl von beiden Gabrieliten der stärkere, ob Jussiel der gewandtere wäre? Mit einem Lächeln erhob auch er sich und nickte bekräftigend.
"Du bist eben vorhin auf der Flugplattform gelandet, als auch wir wieder zurückkamen, nicht wahr?", fragte er in freundschaftlichem Tonfall.
Kurz sah der weiße Engel zu Tauriel und trat dann wieder zurück, um sich auf seinen Schemel sinken zu lassen und seine Arbeit wieder aufzunehmen.
Thesiel nickte dem Michaeliten zu.
Der legte den Kopf schief, so dass unbeabsichtigterweise die goldblonden Locken erneut in sein Gesicht fielen und zur Hälfte die blaugrünen Augen verdeckten. "Hast du ebenso wie Jussiel ein Gelübde des Schweigens abgelegt?", fragte er leise und fast etwas bedauernd.
Navarael runzelte die Stirn, ließ sich aber ansonsten nicht anmerken, dass er dem 'Gespräch' noch folgte...
Thesiel öffnete den Mund, stark bemüht, den Blick in Tauriels Augen zu halten. "N-" machte der Todesengel. Dann entließ er die Luft aus seinen Lungen und schüttelte leicht den Kopf.
Unweigerlich biss sich Tauriel erneut auf die Unterlippe und schluckte, richtete sich wieder auf und nickte knapp. "Ich werde dich in die Seele der Schar aufnehmen, damit du mir davon berichten kannst. ... Bitte halte still und schließe die Augen." Er trat ganz nahe an den Streiter heran, bis sie nur noch ein knapper, halber Schritt trennte.
Thesiels Stottern hatte von einer Sekunde zur nächsten auch wieder offensichtlich Navaraels Aufmerksamkeit geweckt, aber er wartete geduldig... sich eine weiße Haarsträhne nachdenklich aus der Stirn schiebend.
Thesiel schloss die Augen.
Der Michaelit stimmte ein Gebet an, das diesmal vor allem Gott, Michael und Gabriel einschloss, sie pries und um ihren Beistand bat, ehe er die Hände anhob und die Fingerspitzen beider Hände behutsam an den Gesichtskonturen des Gabrieliten entlang auf dessen Haut legte. Kaum spürbar und doch fast kribbelnd präsent. Schweigen legte sich über den Raum und Tauriel musste nun tatsächlich viel geistige Konzentration aufwenden, um dieses Band auch noch zu knüpfen. Er spürte den beinahe erwarteten Kopfschmerz und das feine Brennen zwischen den Schläfen. Doch dann fand er Thesiels Geist, konnte ihn nach kurzem Justieren seiner Suche genauer orten und fassen. Bis seine Stimme ruhig und aufmunternd im Geiste des schwarzen Engels zu vernehmen war: *Salve, Thesiel, fratere in animae.*
Navarael lächelte leicht in Thesiels Richtung. "Willkommen in der Schar, Bruder." murmelte er und lehnte die Arme auf die Knie auf.
Thesiel fühlte sich willkommen. Er hatte gehofft, dass es so sein würde, aber in einigen Scharen, denen er zugeteilt worden war, war seine Aufnahme in die Engelsgruppe mehr eine Form- denn eine Herzenssache gewesen.
Er ließ seinen Geist entspannt an den seines Michaeliten lehnen und sprach in Gedanken ein *Ich danke Gott und Dir für die Aufnahme in Deine Schar.*
Tauriel lächelte warm und ließ langsam seine Hände wieder sinken. "So sei es. Willkommen in dieser Schar. Mögen all unsere weiteren Wege von Erfolg und Gelingen begleitet werden. Amen."
Dann trat er wieder einen Schritt zurück - ein respektvoller, aber keineswegs abweisender Abstand.
Ehe ein leises Lachen über sein weichen Lippen perlte. "Fühl dich hier von nun an also wie ...hm... in deiner Cella.", meinte er grinsend und sah dann grübelnd und den Finger an die Lippen legend zur Tür. "Wo die anderen wohl bleiben? Ich werde sie am besten rufen, dass wir alle die Schargemeinschaft nun noch mit einem gemeinsamen Gebet besiegeln können..."
"Warte noch einen Moment." Der Heiler erhob sich langsam. "Thesiel, dein Stottern... was hat es damit auf sich?"
Thesiel blickte Navarael an. Dann, ganz langsam, schüttelte er den Kopf. "N-n-n-iiich-ch-t, b-b-b-bitt-t-t-e." Er rang um jede Silbe.
Beruhigend und beschwichtigend legte Tauriel ihm eine Hand auf die Schulter. "Shhh... quäle dich nicht, wenn du nicht reden willst. Du kannst uns alles nun auch im Geiste berichten, Thesiel. Es wäre nur sehr hilfreich, wenn wir um deine Stärken und Schwächen wüssten."
Navarael nickte Tauriel zu. "Er hat recht. Es wird niemand darauf bestehen, dass du dich laut äußerst, allerdings... kann ich dir vielleicht helfen, wenn du damit einverstanden bist, ein bis zwei Stunden am Tag mit mir zu üben. In Gratianopel haben Ordensbrüder vor kurzem eine spezielle Atemtechnik entwickelt, die sehr gut anschlägt... Aber es würde Arbeit und Zeit bedeuten, die du vielleicht lieber in dein Training stecken möchtest. Es ist nur ein Angebot, das ich dir nicht verschweigen möchte."
Thesiel blickte Navarael an und schwieg.
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