Rheanaels Ausbildung - Die drei Schlüssel

[Magnetklaue]

Der Mann sah auf die Postulantin herab und sein Blick während ihrer Rede war undeutbar. Als sie geendet hatte schwieg er noch einige Zeit, bevor er die Hände auf dem Rücken zusammenlegte.
"Ich sehe dir ist klar, das du einen Fehler gemacht hast. Einen schwerwiegenden Fehler. Dennoch bin ich bereit dein Wort anzunehmen und euch nicht durch die Prüfung fallen zu lassen. Du kannst jedoch sicher sein das ich dich überwachen werde und sollte ich feststellen das du weiterhin so gedankenlos mit deinen Gefühlen umgehst, wird es Konsequenzen für dich haben."

Er musterte sie und zog eine Augenbraue hoch.
"Verstanden, Rheanael?"

[Carian]

Rheanael bemühte sich sehr, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Zum Glück war ihre äußerliche Maske inzwischen so gewohnt, dass es ihr nicht allzu schwer fiel, die Haltung von Ernst und Pflichtbewusstsein aufrecht zu erhalten.

"Danke, Magister," sagte sie mit einem respektvollen Neigen des Kopfes. "Ich habe verstanden und ich werde den Orden kein zweites Mal enttäuschen." In ihrer Stimme schwang tiefgehende Überzeugung mit. Sie meinte ihre Worte ernst. Dieser Fehler würde ihr nicht noch einmal passieren.

[Magnetklaue]

"Gut," sagte der Mann schlicht und wandte sich von dem jungen Engel ab. Es schien ihm tatsächlich für den Moment zu genügen was Rheanael gesagt hatte und er schritt zu dem nächsten Postulanten, der auf seine Bewertung wartete. Letztendlich waren sie tatsächlich alle durchgekommen und als diese guten Nachrichten verkündet waren, war die Engelsschar wieder frei sich endlich reinigen und ordnen gehen zu können.

[Carian]

Rheanael war sehr nachdenklich gestimmt und nicht zu Gesprächen aufgelegt, als sie den Waschräumen zustrebte. Sie hatten zwar bestanden, doch fühlte es sich nicht so an, als wäre sie wirklich erfolgreich gewesen. Sie war eher erleichtert, dass sie durchgekommen waren.

Schweigend reinigte sie sich, brachte Haare und Federkleid in perfekte michaelitische Ordnung und suchte einen neuen Kriegsrock heraus. Sie ließ sich Zeit und als sie die Bäder wieder verließ, sah sie wieder aus wie eine perfekte kleine Michaelitin, stolz und schön.

Anschließend suchte sie eine kleine Kapelle in der Nähe auf, um in dem kühlen Dämmerlicht stumme Zwiesprache mit Gott und seinem Erzengel Michael zu halten. Als sie die Kapelle wieder verließ, war die Postulantin wieder im Reinen mit sich und bereit, sich unter die anderen kleinen Engel zu mischen. Es interessierte sie, was die anderen von der Prüfung hielten - und was jetzt wohl auf sie warten mochte.

[Magnetklaue]

Als Rheanael sich wieder nach den anderen Engeln umsah, waren kaum andere Postulanten aufzutreiben. Scheinbar hatte sich ein Großteil schon wieder in ihre Cellae zurückgezogen, doch Ekatel saß noch in der Mensa, einen Teller mit Trauben neben sich und ein Pergament auf dem Tisch, auf dem er zu zeichnen schien.

Der andere Engel schien jedoch so vertieft, das er seine Ordensschwester nicht bemerkte.

[Carian]

Nach einem kurzen Zögern holte sich Rheanael ebenfalls ein wenig Obst und ging mit ihrem Teller zu Ekatel hinüber. "Darf ich mich setzen?" fragte sie höflich und wartete seine Bestätigung ab, bevor sie ihren Teller abstellte und sich Ekatel gegenüber setzte. Für einen Moment begnügte sie sich damit, ein paar Trauben zu essen, während sie versuchte zu erkennen, was der andere gerade zeichnete. Schließlich räusperte sie sich leise. "Was hältst Du von der Prüfung?"

[Magnetklaue]

Ekatel schreckte hoch, entspannte sich dann jedoch wieder und nickte Rheanael zu. Auf dem Blatt vor ihm schien ein Engel zu entstehen, doch viel mehr als die Grobzeichnung hatte er noch nicht angefertigt. Der Postulant sah nachdenklich auf seine Zeichnung herunter, rollte sie dann schnell zusammen und verstaute sie etwas scheu. Als Rheanael wieder das Wort ergriff sah er sie nachdenklich an.
"Es war schwierig," sagte er nach einiger Zeit und strich sich kurz durch das Haar, "nicht unmöglich, aber die Prüfer sind streng. Die Kämpfe warne wirklich nicht leicht, also, für mich, meine ich."
Er errötete etwas und schloss lieber wieder den Mund.

[Carian]

Rheanael antwortete nicht sofort. Nachdenklich drehten ihre schlanken Finger eine Weintraube hin und her. "Du hast recht, die Aufgaben sind schwierig und die Prüfer streng", sagte sie schließlich. "Auf der anderen Seite werden wir einmal die Anführer der Schar sein, die Verantwortung tragen für die uns anvertrauten Engel. Daher glaube ich, dass die Strenge notwendig ist, denn nur so werden wir die Disziplin und die Kontrolle erwerben, die wir für unsere Aufgabe brauchen. Wir sind die Engel Michaels." Ihre Stimme war leise und ruhig, doch der Stolz, der in ihren Worten mitschwang, war unüberhörbar.

Sie machte eine Pause und sah Ekatel nachdenklich an. Dann lächelte sie plötzlich. "Ich möchte mich bei Dir bedanken. Bei den Diskussionen über Taktik und Kriegsführung habe ich sehr viel gelernt. Wenn ich mich revanchieren kann, zögere nicht, darum zu bitten."

[Magnetklaue]

Ekatel nickte nur zustimmend und wusste nicht was er darauf erwidern sollte. Rheanael war immer so überzeugt und stolz, ganz wie ein rechter Michaelit. Er selbst kam sich daneben beinahe farblos und unfähig vor, auch wenn er der Postulantin daraus keinen Vorwurf machte.
Doch bei ihren nächsten Worten musste er unwillkürlich lächeln.
"Oh, das ist nett. Vielleicht ein paar Kampfübungen...ich bin nicht sehr gut mit Waffen und dergleichen," sagte er und sortierte sich erneut errötend den Kriegsrock.

[Carian]

Rheanael neigte leicht den Kopf. "In Ordnung," sagte sie, immer noch lächelnd. "Sobald wir unseren neuen Tagesplan haben, suchen wir uns eine geeignete Zeit heraus, um an Deinen Kampffähigkeiten zu arbeiten." Und an meiner Kontrolle, fügte sie still hinzu, doch damit wollte sie Ekatel jetzt nicht belasten.

Mit einer eleganten Bewegung verschwand die Weintraube in ihrem Mund. Es war still geworden in der Mensa. Außer ihnen war kein Engel mehr zu sehen. Nur zwei junge Frauen liefen geschäftig umher, rückten Bänke zurecht und wischten Tische ab. Dabei hielten sie respektvollen Abstand von den beiden Postulanten, um die jungen Engel nicht zu stören.

"Es ist spät geworden", bemerkte Rheanael und nahm ihren nun leeren Teller, um ihn aufzuräumen. "Zeit zu ruhen. Wir haben unsere Prüfung bestanden und morgen geht der letzte Teil unserer Ausbildung los!" Jetzt war doch so etwas wie Freude in ihrer Stimme zu hören, Freude darüber, dass sie so weit gekommen waren und Vorfreude auf all das Neue, das sie ab dem nächsten Tag erwarten würde.

[Magnetklaue]

Ekatel lächelte leicht und nickte. Er hatte noch Obst auf seinem Teller, also nahm er ihn einfach mit, als er sich ebenfalls erhob.
"Danke das du mir helfen willst. Das ist wirklich sehr freundlich von dir...und das schon zum zweiten Mal. Immerhin hast du mir auch mit meiner Schulterplatte geholfen. Ich finde dieses Verbinden von Techniken viel interessanter als nur auf eine Art zu arbeiten."
Der junge, schlaksige Michaelit hielt einen Moment inne und sah auf seinen Teller, dann sah er wieder Rheanael an.
"Dann wünsche ich dir eine gute Nacht. Morgen wird es sicherlich interessant weitergehen, davon bin ich überzeugt," damit verschwand der Engel in seine Richtung, mit leisen Schritten, die zu seiner zurückhaltenden Art zu passen schienen.

An Rheanaels Cellatür war derweil ein weiterer Schlüssel angebracht worden, der golden glänzte und hübsch und neu aussah.

[Carian]

Rheanael lächelte erneut. "Gute Nacht, Ekatel." Sie sah ihm noch einen Moment nach ehe sie ihre Schritte in Richtung ihrer eigenen Cella lenkte. Mit einem dünnen Lächeln nahm sie den zweiten Schlüssel zur Kenntnis und begab sich dann ohne Umschweife zur Ruhe. Es war ein anstrengender Tag gewesen und wer wusste schon, was sie morgen erwarten würde.

[Magnetklaue]

Was die folgenden Tage für die Engel auf Lager hatten war seltsam und fremd. Die Postulanten waren es inzwischen so gewöhnt beständig miteinander zu sein, das es ihnen schwerfiel sich plötzlich daran zu gewöhnen völlig allein dazustehen. Nur noch zu den nun anstehenden Flugstunden fanden sie zusammen und das auch in wesentlich kleineren Grüppchen. Für das Kampftraining standen Templer und einige alte Engel zu Verfügung, hauptsächlich Ordensgeschwister und Gabrieliten. Alles theoretische wurde ebenfalls mit den Electi, den ausbildenden Engeln abgehandelt, zumal es sich dabei hauptsächlich um die Mächte und deren Anwendung drehte.

Es ließ sich nicht anders sagen, die jungen Engel wurden komplett von ihren alten Freunden isoliert. Damit einhergehend musste man aber natürlich nicht mehr darauf angewiesen sein, dass alle eine Prüfung oder Aufgabe bestanden. Nun waren sie allein, völlig auf sich gestellt und manch einem machte dieses ungewohnte Gefühl Angst.
Rheanael hatte am Tag der Zuweisung ihres Nobiles einen Engel vor sich, den sie kannte. Wenn auch nur flüchtig.

"Guten morgen Rheanael. Ich bin Dariel," sagte der schlanke, schöne Engel, der hinter ein paar der menschlichen Ausbilder hervorgetreten war mit einem leicht angedeuteten Lächeln, "vielleicht erinnerst du dich an mich."